Industrie 4.0 bringt die Belegschaften auf Trab und sorgt für Auftrieb. Doch wie sieht der Wandel genau aus? Prof. Dr. Martin Hill von SAP Deutschland sieht drei wichtige Folgen: In einigen Berufen bekomme der Mensch „einen technischen Kollegen“, bestimmte Tätigkeiten würden dadurch wegfallen und generell gebe es veränderte Anforderungen an Arbeitskräfte.
Hill: „Wir beobachten den Einsatz von IT relativ nah am Shopfloor, also in der Produktion und Logistik. Dort werden sich die Aufgabenprofile der Menschen massiv ändern.“ Daraus folge eine neue Anforderung an die Qualifikationen: „Dass wir die Ausbildung des Facharbeiters vom rein Fachlichen lösen müssen hin zu IT-Management-Kompetenzen, ist unabdingbar.“ (Quelle: REFA Nordwest-Dossier).
Die REFA-Lehre liefert die passenden Methoden für Industrie 4.0
Der REFA-Methodenkoffer enthält ein effektives Instrument, um den genauen Qualifikationsbedarf von Mitarbeitern zu ermitteln: die Qualifikationsmatrix. In dieser Tabelle werden Ist- und Soll-Qualifikation gegenübergestellt und der damit verbundene Aufwand erfasst. So können Engpässe und Handlungsbedarfe schnell erkannt werden. Außerdem bildet das Tool eine wichtige Basis für die Personaleinsatz- und -entwicklungsplanung.
Aus dem Ist-Zustand geht beispielsweise hervor, welche Mitarbeiter dieselben Tätigkeiten beherrschen und etwa innerhalb einer Schicht die Arbeitsplätze tauschen können. Durch das Prinzip einer solchen „Job-Rotation“ sollen einseitige Überlastungen vermieden werden. Auch der Mitarbeiter, dem die Qualifikationsmatrix vorgelegt wird, erfährt, auf welche Aufgaben er sich zukünftig durch Schulungen oder andere Lern-Aktivitäten vorbereiten muss. Vereinfachte Darstellung, um das Grundprinzip zu verdeutlichen (Kreuzchen beispielhaft):
| gering | mittel | hoch |
Einsatzaufwand | x | | |
Schulungsaufwand | | x | |
| kurzfristig | mittelfristig | langfristig |
Dauer bis zur Ergebnisrealisierung | x | | |
Quelle (Tabellen und Beschreibung der Qualifikations-Matrix): REFA-Fachbuchreihe Unternehmensentwicklung: Industrial Engineering. 2011, S. 119 – 123.
Industrie 4.0 fordert die Gestaltung neuer Aufgaben
Doch auch Aufgabengestaltung selbst muss oft angepasst werden. Eine Tätigkeit wird dann von den meisten Menschen als angenehm oder befriedigend wahrgenommen, wenn die einzusetzenden Fähigkeiten und Fertigkeiten variieren. Dies kann zum Beispiel durch einen Wechsel erzielt werden. Manche Unternehmen haben die Herstellung von Linien- auf Inselfertigung umgestellt. Statt immer nur wenige Handgriffe zu tun, ist ein Mitarbeiter für das komplette Zusammensetzen eines Produkts zuständig. Und dies geschieht heute schon unter Einsatz von Digitaltechnologie.
Auch bei Industrie 4.0 muss die Arbeit einen Nutzen stiften
Darüber hinaus sollte eine Tätigkeit für den Ausübenden einen Sinn ergeben bzw. einen (übergeordneten) Nutzen stiften. Weitere Aspekte sind laut REFA-Lehre, dass eine Person ihre Arbeit als bedeutsam erleben muss, dass sie selbst verantwortlich dafür gerade steht und dass sie Informationen darüber erhält, was mit den eigenen Arbeitsergebnissen geschieht. Eine Geschichte, wie dies auch bei einfachen Tätigkeiten funktionieren kann, lautet sinngemäß:
Mit Industrie 4.0 zum Mond fliegen
Ein Journalist besucht eine Firma, die Raketen herstellt. Vor dem Gebäude trifft er einen Mitarbeiter, der mit zufriedenem Gesicht den Hof fegt. Neugierig fragt der Medienvertreter: „Ich sehe, dass Sie hier lächelnd ihren Job machen. Das ist ungewöhnlich.“ Der Mann blickt auf und antwortet: „Wieso ist das etwas Besonderes? Ich trage dazu bei, dass Menschen zum Mond fliegen können. Und darauf bin ich stolz.“ (Birgit Lutzer)