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Der Wandel braucht eine neue Kultur - Dossier-Auszug


Der Wandel braucht eine neue Kultur

Der Wandel braucht eine neue Kultur - so ist die Meinung von Sascha Stowasser. So sehr Politik und Themenführer die Digitalisierung der Industrie auch treiben: Für ihn fehlt es in Deutschland – und insbesondere im Mittelstand – an der Bereitschaft, sich für Veränderungen nicht nur notgedrungen zu öffnen.

Der Arbeitswissenschaftler sieht den Grund dafür weniger in der vermeintlichen Angst vor neuen Technologien, sondern vielmehr in der Ziellosigkeit. Es fehlt an Visionen, sowohl unternehmerischen als auch digitalen. Und ohne eine eindeutige Richtungsvorgabe, ohne Vorreiterrollen, ohne Klärung von tatsächlichem wirtschaftlichem Nutzen, ohne Auseinandersetzungen mit den Auswirkungen auf Mensch und Arbeit bleibt der Wandel weiterhin behäbig. Deshalb fordert Stowasser Haltungsarbeits in Bildung und Industrie.

 

Der Wandel braucht eine neue Kultur - Auszug aus dem Interview mit Sascha Stowasser 

Sascha Stowasser

Herr Stowasser, wie definieren Sie die Arbeitsergonomie der Gegenwart und der Zukunft?

Von den Konzepten her unterscheidet sich da nicht viel. Wir werden uns hier und da mit neuen Fragestellungen auseinandersetzen müssen. Zum Beispiel: Wie lange kann jemand in Zukunft eine Datenbrille aufziehen? Da muss noch geforscht werden. Was sich verändern wird – und muss – ist das Bestreben der Unternehmen, hier flexibler zu werden und die Arbeitssituationen anzupassen. Wir sehen ja bereits Versuche, wo beispielsweise Mitarbeiter einen Chip in der Armbanduhr oder am Körper tragen, der die Belastung misst. Wenn man dann zum Beispiel eine Belastung des Rückens wahrnimmt, kann das Montagesystem sich darauf einstellen. Überhaupt: Die Arbeitsplätze werden sich auf die Menschen einstellen. Das heißt aber nicht, dass das auf alles zutrifft. Wir können nicht alles anpassen, das ist auch gar nicht möglich. Weil da eben noch ganz grundsätzliche Betrachtungen fehlen. Die klassischen Arbeitsaufgaben der Ergonomie müssen weiter nach vorne gebracht werden. Das fängt beim richtigen Sitzen auf Bürostühlen an und geht bis hin zu Hebehilfen in Werkstätten, die immer noch nicht Standard sind. Und es gibt eben noch ganz klassische Betriebe, wie beispielsweise Gießereien, wo elementare Hausaufgaben gemacht werden müssen, weil die Arbeit einfach nicht ergonomisch ist. Das wird mit der Individualisierung von Arbeitsplätzen zwar in Zukunft alles besser, aber es dauert, weil in vielen Bereichen die Wirtschaftlichkeit noch nicht nachgewiesen ist.

Was ist denn mit der „digitalen“ Arbeitsergonomie? Wenn der Bediener einer Maschine mehr mit Informationen als mit der Maschine arbeiten muss – wie wirkt sich das auf das Thema Ergonomie aus?

Wir wissen in der Ergonomie bereits sehr viel über den Umgang mit Daten. Aber dennoch müssen wir da noch viel aufarbeiten. Es gibt beim DIN einen Ausschuss für Arbeitssysteme in der Industrie 4.0. Da wird unter anderem erarbeitet, wie man mit Daten sinnvoll umgeht und wie sich das auf Industrie 4.0 übertragen lässt. Auf der anderen Seite habe ich selbst aber schon Maschinen und Anlagen gesehen, wo der Mitarbeiter gar nicht so viel Informationen verarbeiten muss. Das wird gefiltert und visuell vereinfacht aufbereitet, sodass eigentlich auch jemand ohne Kenntnisse die Maschine bedienen könnte. Das ist aber eben auch eine Frage der Bereitstellung der Daten – und da entstehen ja neue Berufsbilder. Wir müssen da aber weiter forschen, was wir von der bestehenden Softwareergonomie auf die Arbeitswelt transferieren können.

Brauchen wir da nicht generell in allen Richtungen völlig neue Kompetenzen?

Natürlich müssen wir in Deutschland die Berufsbildung und Ausbildung nach vorne treiben, und die Kompetenzen bei der Digitalisierung stärken. Aber ich bin davon überzeugt, dass der Mann an der Fräsmaschine die Informationen, die er für die Arbeit bekommt, nicht filtern muss – das kann ja nicht sein Job sein. Er muss sie vielmehr richtig aufbereitet bekommen. Andererseits müssen wir trotzdem in Zukunft Wert darauf legen, diese Berufe generell auf die Digitalisierung vorzubereiten. Das ist eine große Diskussion, weil die Berufsschulen in diesen Feldern nach wie vor technische und Wissenslücken haben.

Wie sollte man das angehen, wenn es in der Praxis doch auch noch an Erfolgsbeispielen für die Digitalisierung fehlt?

Die Digitalisierung nimmt an Fahrt zu, das ist unumstößlich. Und in dem Zuge gibt es auch dementsprechende Innovationen. Da gibt es dann Ideen, die Digitalisierungskompetenz nicht den Berufschulen, sondern den großen Unternehmen, den Thementreibern zu überlassen. Das wäre eine Möglichkeit, wie wir in Sachen Digitalisierung wieder aufholen können. Und das müssen wir. Denn die Veränderung der Berufsschulen dauert viel zu lange. Von REFA-Seite aus arbeiten wir stark daran, die Methoden nur zu überarbeiten – unter anderem über unser Institut und die Weiterbildung zum Industrial Engineer – dort findet sich auch ein Modul Industrie 4.0, wo dementsprechende Kompetenzen vermittelt werden. Aber auch dafür brauchen wir richtige Lehrer, die mit dem Thema Digitalisierung umgehen können und den Zugang zu Technologien haben. Denn der Wandel steht und fällt mit dem Ausbilder – der muss wissen, wovon er redet, muss offen für Neues sein.

Wenn wir schon von anderen Qualifikationen der Lehrer und Ausbilder sprechen: Was ist mit zukünftigen Mitarbeitern? Brauchen die nicht auch andere Qualifikationen für den Wandel?

Natürlich. Wesentlich ist da die Lust auf Veränderung. Wenn wir Lean Management richtig denken, geht es da ja auch um die Lust daran, den Arbeitsplatz zu verbessern. Und Digitalisierung ist ja nur eine Weiterführung dessen. Wir verbessern unsere Arbeit ja mit der Digitalisierung. Natürlich wird es da Widerstände geben – Mitarbeiter werden ja nicht bereitwillig dabei helfen, ihren Arbeitsplatz zu automatisieren und damit wegzurationalisieren. Aber das sollen sie auch nicht. Aber sie sollen ihre Erfahrung in den Prozess einbringen können und offen für die Verbesserungen sein, die die Digitalisierung uns bringt. In Umfeldern, wo Menschen sich damit schwertun, haben sich die Multiplikatorenkonzepte aus dem Change Management bewährt – wenn Kollegen miteinander reden und der, der Spaß an der Sache hat, den anderen damit ansteckt, dann bewirkt das auch eine Veränderung. Da sind dann die psychologischen Bedingungen für den Wandel. Eine Kultursache, wenn man so will. Aber auch das kann eben nur funktionieren, wenn allen klar ist, was das mit der Digitalisierung bringt. Wenn wir konsequent wären, bräuchten wir eine Digitalsierungsvision, die aufzeigt, wo wir hinwollen, und an der wir uns orientieren können. Leider haben viele Unternehmen ja noch nicht mal eine „einfache“ Vision. Und völlig ziellos in die Zukunft zu steuern ist auch gefährlich – das führt ja auch zu Blockaden beim Wandel.

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